Was waren das noch für Zeiten, als man seinem Körper noch mehr geglaubt hat, als irgendeinem technischen Gerät. Heute scheint das Vertrauen direkt ins Verhältnis gesetzt werden zu können mit dem Preis die ein Stück Technik kostet. Und wie ist das im Falle von Powermetern? Also Messgeräten, die uns sagen mit welcher Kraft wir in die Pedale treten? Für Profis seit Jahren Alltag, sind Powermeter jetzt auch für Amateure erschwinglich geworden. Aber lohnt sich die Investition?
Es gibt sie bereits für unter 500 EUR - die kleinen Messgeräte die uns ständig kontrollieren und uns unter Druck setzen. Daten können erhoben werden, die bisher nur Leistungssportlern vorbehalten waren. Neu trainieren wir nach Watt-Bereichen, denn das ist viel genauer. Den Puls lassen wir mittlerweile ausser Acht. Aber wo liegt eigentlich der Reiz alles noch genauer zu wissen? Warum sollten ambitionierte Radsportler mit Powermeter statt mit Puls trainieren?
Voraussetzungen
Das Wichtigste vorweg: Du kannst ein beidseitiges Powermeter aus Carbon von SRM Dein Eigen nennen (dieses Stück Kunststoff reisst mal eben ein 2.600 EUR grosses Loch in Dein Rennrad Budget), aber wenn Du Deine individuellen Trainingsbereiche nicht kennst oder nicht weisst, wie Du die erhobenen Daten nutzen kannst, dann kannst Du die 2.600 EUR ebenso gut zum Fenster rauswerfen, oder besser noch, direkt auf mein Konto überweisen und meine Tortour Teilnahme finanzieren!
Also, zumindest, und zu allererst, musst Du Dich einerseits mit diesem Thema beschäftigen (mit diesem Artikel somit abgehakt), andererseits empfehle ich Dir ganz dringend eine Leistungsdiagnostik beim Sportwissenschaftler Deines Vertrauens, damit Du FTP, FatMax, Vo2Max und Deine IANS (individuelle anaerobe Schwelle) kennst.
Arten
Zwischenzeitlich gibt es die unterschiedlichsten Technologien, um die Leistung am Rad zu erheben. Ob Wattmessung am Pedal, an der Kurbel, dem Kettenblatt bzw. Spider oder an der Nabe. Alles ist denkbar und hat unterschiedlichste Vor- und Nachteile. Auch kann man sich aus Kostengründen dafür entscheiden, nur einseitig zu messen - die Systeme berechnen danach selbstständig einen geschätzten Wert hoch.
Für mich als Amateur zählt weniger die Genauigkeit der Werte. Meine Kriterien beim Testen sind:
- Zuverlässigkeit
- Einbau-Aufwand
- Preis
- Stabilität und lange Laufzeit
- Batterie-Tausch und Batterie-Haltbarkeit
Pedalmessung
Die Wattmess Pedale Vector von Garmin sind mit die bekanntesten Produkte. Leider höre ich aus dem Bekanntenkreis und der Fachpresse über sämtliche Pedale mit Wattmesser nicht sonderlich viel gutes. Ich selbst hatte vor Jahren Pedale von Assioma mit denen ich eigentlich ganz zufrieden war. Nach exakt 25 Monaten hat aber leider eines der Pedale das zeitliche gesegnet.
Die Batterie- bzw. Akkulaufzeit ist eher kurz. Man ist ständig am laden. Wenn man dann noch elektronische Schaltung hat, sieht das Rad nach einer Tour aus wie das Kabel-Lager eines Elektrobetriebs. Anfänglich meldete mein Radcomputer nach mehr als 30 Stunden dass die Pedale geladen werden sollten. Nach 2 Jahren - und ich bin wirklich nicht extrem viel gefahren - waren es auf einmal keine 10 Stunden mehr. Die angezeigten Wattwerte waren aber, meiner subjektiven Meinung nach, sowohl während der Fahrt, als auch in der Auswertung ziemlich schlüssig.
Bei den Vector, auch den relativ neuen Garmin Vector 3, scheint es Probleme bei den gemessenen Wattwerten zu geben. Etwas ärgerlich.
Nun gut, also die Wattmess Pedale sind tatsächlich eine coole Lösung, wenn man nicht selbst am Rad schrauben möchte. Einfach die alten Pedale runter, Wattmess Pedale drauf und danach gemäss Handbuch einstellen. Der komplette Montage und Einrichtungs-Prozess dauert unter 10 Minuten.
Messung an der Kurbel
Momentan meine favorisierte Art der Leistungsmessung. Ich nutze an meinem Cyclocrosser ein Powermeter von Stages, was auf eine Shimano Ultegra Kurbel aufgebracht ist. Testweise hatte ich das Rad auf meiner Rolle montiert. Die erhobenen Daten sind quasi identisch. Und im Falle von Stages halten die kleinen Batterien sehr lange. Erst nach ca. 3.000 Kilometern habe ich sie tauschen müssen.
Mit Wasser und Dreck gibt es keinerlei Probleme. Aber Achtung: die Powermeter von Stages sitzen nicht IM Kurbelarm, sondern sind an der Innenseite des Kurbelarms aufgebracht. Unbedingt vorher nachmessen, ob Du bei Deinem Rahmen kein Platzproblem bekommst!
Eine beidseitige, unabhängige Messung ist möglich. Der Austausch zwischen mehreren Räder ist möglich, allerdings für den täglich Austausch deutlich zu aufwendig.
Messung in der Kurbel
Deutlich teurer als das System an der Kurbel. Allerdings mit dem grossen Vorteil, dass Du nicht auf genug Freiraum zwischen Kurbel und Rahmen achten musst. Also für Rahmen, wo es ein Platzproblem geben könnte, auf jeden Fall eine (teure) Alternative.
Eine beidseitige, unabhängige Messung ist möglich.Der Austausch zwischen mehreren Räder ist möglich, allerdings für den täglich Austausch deutlich zu aufwendig.
Spider
Die ersten Systeme von SRM (dem Branchenprimus und Vorreiter in Sachen Powermeter) beruhten auf der Spider-Technik. Die Daten sollen relativ genau sein.
Die unabhängige Messung von rechtem und linken Bein sind bauartbedingt nicht möglich. Der Austausch zwischen mehreren Räder ist möglich, allerdings für den täglich Austausch deutlich zu aufwendig.
Naben Powermeter
Das Powermeter befindet sich hier direkt in der Radnabe des Laufrades. Dabei muss das Laufrad komplett neu eingespeicht werden und ist somit zumindest einmalig sehr aufwendig. Die Messergebnisse sollen aber - was man so liest - sehr gut sein. Ob ich als Amateur so genaue Werte benötige, sei dahingestellt.
Der Austausch zwischen mehreren Räder ist relativ einfach möglich: es muss lediglich das komplette Laufrad vom einen auf das andere Rennrad umgebaut werden. Sofern man auf einen Gruppenstandard setzt, also bspw. ausschliesslich Shimano 11-Fach fährt, sehr komfortabel und die schnellste Möglichkeit von allen.
Hat man jedoch für Training und Wettkampf unterschiedliche Laufräder, ist dieser Vorteil wieder zunichte gemacht.
Einseite vs. Beidseitige Messung
Hier scheiden sich die Geister: manche sagen, es ist unwichtig zu wissen dass die Kraftverteilung zwischen linken und rechtem Bein ähnlich oder gleich ist, andere sagen ohne diese Möglichkeit wird kein Powermeter angeschafft. Ich gehöre eher zu letzterer Fraktion.
Gründe für die Leistungsmessung
Aber warum soll man mehrere hundert oder sogar tausende Euro ausgeben, um seine Leistungsdaten zu kennen? Man spürt doch wie der Puls hochgeht und nach Gefühl fahren reicht einem Amateur doch aus...? Ja, das ist grundsätzlich so! Und ich war auch in der ersten Zeit der Meinung, dass Fahrten nach Puls absolut ausreichen. Aber, vor allem bei langen Fahrten und kurzen Intervallen kann man sich überhaupt nicht auf den Puls verlassen.
Bei den kurzen Intervallen im Training reagiert der Puls viel zu träge, damit ich meinen Trainingsbereich realistisch einschätzen könnte. Selbst bei einer Intervalldauer von 5 Minuten braucht man 60 bis 90 Sekunden, bis der Puls im gewünschten Bereich ist.
Hinzu kommt, dass der Puls von vielen weiteren Faktoren abhängig ist. Hat man schlecht geschlafen, ist ein Infekt im Anflug, hatte man kurz zuvor noch einen Kaffee etc. pp.! All das beeinflusst den Puls enorm.
Der Leistungsmesser gibt Dir sofort und schonungslos die getretenen Wattwerte wider und lässt Dir auch keinerlei Interpretationsspielraum. Die Kombination zwischen Powermeter und Pulsmesser ist wiederum sehr hilfreich. So kannst Du Intervalle unterschiedlicher Trainingseinheiten direkt miteinander vergleichen und solltest im Laufe der Zeit, bei gleichbleibender Intensität auch eine durchschnittlich gesunkene Herzfrequenz erkennen.
Trainingsdokumentation und Auswertung
Eine einfache und dazu kostenlose Trainingsdokumentation, lässt sich mit Hilfe eines kostenlosen Strava oder Trainingpeaks-Accounts bewerkstelligen. Mit heutigen modernen Radcomputern wie dem Garmin Edge oder Wahoo Elemnt können Outdoor wie Indoor Fahrten automatisch aufgezeichnet und ins Web übertragen werden, um diese im Anschluss mit weiteren Daten, Kommentaren und Fotos anzureichern.
Insbesondere mit einem kostenpflichtigen Account bei Trainingpeaks können so viele Auswertungen eingesehen werden, dass die korrekte Interpretation das Know-How des durchschnittlichen Radsportlers sprengt.
Pacing
Auch als Amateur kann ich es mir nicht mehr vorstellen, ein Rennen ohne Leistungsmessung zu fahren. Ich bereite anhand von Dauer, Strecken-Profil und Ziel meine Leistungsvorgaben vor. So weiss ich an jedem Berg mit welcher Intensität ich fahren muss, um am Ende ein optimales Ergebnis zu erhalten.
Das Risiko von falschem Ehrgeiz wird deutlich minimiert: so muss ich nicht mehr jeder Gruppe hinterherhetzen, sondern fahre stur meine Wattwerte. So zumindest die Theorie. insbesondere die schweren Fahrer haben das Problem, dass auch mit der kleinst möglichen Übersetzung, jeder kleine Hügel die Leistungswerte extrem nach oben treiben wird. Im 2019 beim Engadiner Radmarathon hatte ich noch 96 Kilogramm und hatte extrem mit den Bergen zu kämpfen. Meine Leistungswerte waren quasi ständig deutlich über meiner Pacing Strategie. Nicht weil ich mithalten wollte, sondern weil ich im leichtesten Gang mit einer 60er Trittfrequenz gerade eben so den Berg hochschleichen konnte.